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Quaakpack - McEntosh und die Duckess von Enterness

Warum Laufenten Schnecken fressen


 
Die Geschichte spielt in Schottland, und sie muss sich wohl so zur Mitte des 19. Jahrhunderts zugetragen haben.
Wie Ihr sicher wisst, kamen die ersten Laufenten um 1830 nach England, genauer gesagt nach Cumbrien und Dumfries, das liegt an der Westküste dies- und jenseits der Grenze nach Schottland. Weil die Menschen furchtbar wasserscheu sind, haben sie sich grosse Schüsseln gebaut, mit denen sie auf dem Wasser hin- und herschippern können. Das nennen sie “Schiffe”, und der Obererpel von einem solchen Schiff (den alle anderen nur mit “Kapitän” ansprechen dürfen) hat die Laufenten mitgebracht, wahrscheinlich von Lombok aus dem Malayischen Archipel, und an Freunde und Bekannte verteilt.
Die Nachfahren dieser Enten müssen es wohl gewesen sein, von denen meine Geschichte erzählt.
Und das ist sie:

 
Es war im Südwesten von Schottland, vor langer, langer Zeit.
 
Der Erpel McEntosh flanierte mit der Dame seines Herzens, Duckess von Enterness, an den Rändern des Hochmoores von Snecallom entlang, in unnachahmlicher Eleganz und Lässigkeit mal hier, mal da mit spitzem Schnabel nach einem Käferchen oder Würmchen stöbernd.
 
Als sie so vergnüglich plaudernd (und ab und an wie beiläufig bohrend) dahinspazierten, hörten sie aus einiger Entfernung einen heftigen, man kann fast sagen ungeziemlichen Streit.
 
Nun sind Enten ja einerseits sehr vornehme Tiere, speziell Laufenten sind von derart natürlicher Eleganz und Adel, dass sie sich gewöhnlich nicht in die Niederungen des Streits des gewöhnlichen Pöbels begeben.
 
Da aber andererseits der immer heftiger werdende Streit nur zu hören, nicht aber zu sehen war, schlenderten die beiden fast ohne Absicht in die fragliche Richtung.
 
Gross war ihre Verwunderung, als sie zweier Nacktschnecken ansichtig wurden, die sich heftig in den nicht vorhandenen Haaren lagen.
 
Es waren zwei Prachtexemplare, eine pechschwarz, eine purpurrot, beide gestikulierten erregt mit den Fühlern, und die Schleimspuren ringsum zeugten davon, dass sich der Streit schon eine Weile hinziehen musste.
 
Beide waren ziemlich in ihren Disput vertieft, böse Schmähungen gingen hin und her, es war von schwarzen Amigos und roten Socken die Rede und derlei Dingen mehr, bis sie plötzlich bemerkten, dass sie nicht mehr alleine waren.
 
Aber die Unterbrechung ihres Streits war nur kurz, nun begannen die beiden auf Seine Lordschaft McEntosh und Lady Enterness einzureden, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die jeder Rennschnecke Ehre gemacht hätte, noch dazu beide zur gleichen Zeit.
Es war nicht leicht herauszufinden, was denn nun der Gegenstand des Streitgesprächs war, aber nach einer Weile kristallisierte es sich heraus; das Problem war die Länge. Jede der beiden nahm für sich nämlich in Anspruch, die längste Schnecke im Hochmoor von Snecallom zu sein, ja von ganz Schottland, oder vielleicht sogar überhaupt weltweit? Und dabei ging es doch jeder von ihnen nicht nur um die eigene, herausgehobene und aussergewöhnliche Person, nein, jede reklamierte für sich, Vertreter einer Art zu sein, die im Molluskenreich Ihresgleichen suchte; eben die grazile, grossartige, intelligente und allen anderen Schnecken weit überlegene rote (oder eben schwarze) Rasse.
 
Leider hatte keiner der Kontrahenten einen klaren Plan, wie sich das denn hätte beweisen lassen.
Lord McEntosh legte den Kopf schief, erst lang auf die eine, dann länger auf die andere Seite. Er nahm einen kleinen Schluck des hervorragenden Snecallommer Moorwassers, schüttelte einen überflüssigen Tropfen dezent von der Schnabelspitze und brachte mit einer geübten Bewegung seine anmutig gezwirbelte Schwanzfeder in die geziemende Form. Dann erklärte er, wie er sich die Lösung des Problems vorstellen könnte.
 
Als schottischer Gentlemen (und ein solcher ist immer auch Sportsman) würde es ihm eine Ehre sein, den Streit zu entscheiden. An seiner Unparteilichkeit würde ja sicher keiner zweifeln, ausserdem wären Wetten um nicht zu geringe Beträge willkommen.
 
Die beiden Kontrahenten liessen sich das nicht zweimal sagen; als Schiedsrichter wäre er ihnen hochwillkommen, und wie er sich die Durchführung des Wettbewerbs denn vorstellen würde? (Leider hatte man kein Wettgeld zur Hand, weil man auf die Spritztour die Schneckenhäuser nicht mitgenommen habe).
 
"Ganz einfach", antwortete der Lord. "Wir beide, meine Wenigkeit und Lady Enterness, sind in aller Bescheidenheit für unsere grazilen, eleganten und langen Hälse in Schottland (und darüberhinaus) weithin bekannt. Wir sperren unsere Schnäbel auf. Ihr kriecht rückwärts hinein, und wenn ihr mit dem Hinterteil im Kropf angekommen seid, dann wird sich herausstellen, wessen Fühler oder gar Kopf noch aus dem Schnabel herausschaut."
 
Gesagt, getan; die beiden Schnecken legten den Rückwärtsgang ein, und nachdem der Lord sie nochmals zur Vorsicht ermahnt hatte (er war von vornehmster rehbrauner Farbe und wäre über Schleimspuren auf seinem gepflegten Gefieder gar nicht amused gewesen), begannen sie rückwärts in den Hals der Enten zu kriechen, die schwarze in den Schlund des Lords und die rote in den schlanken Hals der Lady.
 
Es dauerte seine Zeit, aber schliesslich waren sie beide mit dem Hinterteil unten angekommen, nur Kopf und Fühler waren im Schnabel der Enten noch zu sehen.
 
Was denn nun sei, wollten sie wissen, und wer denn jetzt gewonnen hätte.
 
Nun musste Lord McEntosh seinen Kopf wieder schief legen, erst auf die eine, dann noch länger als vorher auf die andere Seite.
 
Aber es schien, als wollte ihm diesmal die richtige Idee nicht kommen.
 
Er meinte zu den Schnecken, sie möchten sich doch ein wenig zurückziehen, wenn ihnen das keine weiteren Umstände bereite, dass er sich mit der Lady in Ruhe über seinen Schiedsspruch beraten könne.
 
Das taten die beiden, und als sie im Schlund verschwunden waren, meinte der Lord zu seiner Lady: "Sag, Teuerste, hast Du so etwas schon einmal erlebt? Ein wirklich merkwürdiges Gefühl im Hals, aber eigentlich gar nicht so übel". Die Lady kicherte und gluckste "Ja, es kitzelt am Gaumen. Und so einen Hauch von bitterer Orangenmarmelade haftet an meiner Roten." "Jetzt, wo Du es sagst, Teuerste" lächelte der Lord, "meine Schwarze erinnert mich eher an Lakritz, mit vielleicht einer Spur von Minze..." "Ja," nickte die Lady heftig, "eigentlich gar nicht so übel!" "Superb" bekräftigte der Lord streckte zustimmend seinen langen Hals ein paarmal schnell vor und zurück.
 
Beide nahmen noch einen guten Schluck Moorwasser, um nachzuspülen, und wackelten dann vergnügt von dannen.
 
Und sie nahmen sich vor, das nächste Mal jeweils von der anderen Sorte zu probieren, und zuhause auch allen Genossen davon zu erzählen, welch hervorragende Delikatessen sie entdeckt hätten.
 
Seit jener Zeit dinieren Laufenten mit Vorliebe jene unvergleichlich zarten, schmackhaften Geschöpfe, und es wurden noch viele köstliche Geschmacksrichtungen entdeckt, von kernig-erdig bis zartbitter-modrig und mit allen Nuancen dazwischen.
 
Ob sich die Geschichte ganz genau so zugetragen hat, kann ich nicht sagen, aber seit vielen Generationen wird sie so überliefert und erzählt. Wers nicht glaubt, der kann den Wahrheitsgehalt leicht und problemlos überprüfen - probiert einfach mal so eine köstliche rote oder schwarze Schnecke, Ihr werdet sehen, es gibt nichts Besseres!
 

Story: Bjoern Clauss   -   Illustration: Helene Towers
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